Beispiele aktueller Anwendungsfelder

Nachdem im ersten Teil erklärt wurde, was Anforderungen sind und warum sie wichtig sind, folgt nun der zweite Teil dieser Reihe.

Die Sicherstellung der Qualität von Anforderungen ist nur mit einem großen personellen Aufwand erreichbar, es sei denn man nimmt maßgebliche Mängel in der Qualität des Produktes in Kauf. Dies wird nachfolgend anhand von drei Beispielen aus der Rüstungs- und Automobil-Industrie verdeutlicht.

Staatliche Institutionen

(anhand der Bundswehr exemplarisch für die meisten staatlichen Anforderungsdokumente)

Für Beauftragungen von der Bundeswehr an dritte werden Anforderungen zuerst in sogenannten FFF Dokumenten zusammengefasst. Diese sind in der Regel in Fließtext-Form geschrieben. Daraus ergibt sich der Vorteil, dass die Idee des Produktes leicht zu erfassen ist. Der Nachteil hingegen ist schwerwiegend, denn durch die nicht granularen Sätze ist es schwer den genauen Wunsch des Auftraggebers zu erfassen. Welche Ideen in dem Dokument umgesetzt werden müssen und welche Sätze lediglich Erklärungen sind ist nicht nachvollziehbar. Außerdem ist es unmöglich Anforderungen zu testen.

Automobilbau asiatischer OEM

Asiatische OEMs entwickeln oft nicht anhand strenger Anforderungen. Das Produkt wird hier zur Reife gebracht, indem ein ständiger und intensiver Austausch mit den Zulieferern stattfindet. Wenn hingegen eine Zusammenarbeit mit europäischen OEM angestrebt wird, verlangen diese in der Regel konkrete Lastenhefte, da sie sind es so gewohnt sind und schwer von diesem Prozess abweichen können. Dies führt dazu, dass die asiatischen OEMs ihre komplette Dokumentation – oft in Form von PowerPoint Präsentationen oder Fließtexten – in die klassische Form eines Lastenheftes überführen müssen. Dies erfordert viel Arbeit und Fleiß.

Automobilbau deutscher OEM

In der deutschen Automobilindustrie wird bereits mit vergleichsweise guten Anforderungen gearbeitet. So können in einem Projekt auf einen Ingenieur 500 Anforderungen fallen. Bei mehreren hundert Mitarbeitern wird so ein Lastenheft mit mehreren tausend Anforderungen erstellt. Zusätzlich stehen in dem Lastenheft noch Überschriften, Informationen, Beispiele und es müssen Testfälle erstellt werden. Insgesamt sind also 100.000 Textfelder sehr realistisch. Nach dem erstellen müssen diese von übergeordneten Ingenieuren auf ihre innere Logik sowieso auf ihren Zusammenhang zu den anderen Anforderungen überprüft werden.